Ausstellung trifft den Nerv der Zeit

Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt die Ausstellung „Die Kunst der Entschleunigung. Bewegung und Ruhe in der Kunst von Caspar David Friedrich bis Ai Weiwei“.
Ausstellung trifft den Nerv der Zeit

»Ich weiß zwar nicht, wo ich hin will, dafür bin ich schneller dort.«
Helmut Qualtinger

Forscher der NASA haben herausgefunden, dass sich die Erde aufgrund des jüngsten Bebens in Japan und der Veränderung der Rotationsachse pro Tag um 1,6 Mikrosekunden schneller dreht. Haben wir nicht überhaupt das Gefühl, dass die Welt sich immer schneller dreht, die Ereignisse sich überstürzen, die Zyklen der Krisen immer kürzer werden, die Zeit immer knapper wird?
Die Ausstellung »Die Kunst der Entschleunigung« verdichtet ein Thema, das den Nerv der Gesellschaft trifft. Das Lebenstempo hat sich seit dem 19. Jahrhundert kontinuierlich erhöht bis hin zum »rasenden Stillstand« (Paul Virilio). So wird die Moderne immer wieder mit Beschleunigung identifiziert. Gleichzeitig wächst heute das Bedürfnis nach Muße, und auch die Einsicht, dass Fortschritt von der einseitigen Bindung an die Beschleunigung entkoppelt werden muss: Um weiter zu kommen, müssen wir entschleunigen!

Im Zentrum des Ausstellungsprojektes im Kunstmuseum Wolfsburg steht das kontrapunktische Phänomen von Bewegung und Ruhe in der Kunst von der Romantik über die klassische Moderne bis zur Gegenwart. Zwar wird auch die moderne Kunst immer wieder mit Beschleunigung gleichgesetzt. Die sogenannte Avantgarde galt seit dem 19. Jahrhundert als Speerspitze einer expansiven Dynamik, die von William Turner, über den Impressionismus, den Futurismus und die Abstraktion bis zur kinetischen Kunst der 1950er-Jahre und weiter bis zur Medienkunst reicht. Wenig beachtet wurde aber bisher, dass mit der Faszination für die entfesselte Bewegung von Anfang an stets auch die Suche nach einer Ästhetik der Langsamkeit verbunden war. Neben der Avantgarde der Maschinenbeschleunigung gab es fortwährend auch eine Avantgarde der Entschleunigung, welche die Dynamik der Stille und die Tiefe des Seins erforschen wollte, angefangen von den Sehnsuchtsbildern der Romantiker über die metaphysischen Tauchfahrten der Symbolisten und Surrealisten bis zu der tiefgründigen Farbfeldmalerei eines Mark Rothko.

Gerade von der Kunst lernt man, dass Langsamkeit nicht gegen Geschwindigkeit ausgespielt werden kann, und dass die Geschichte der Moderne immer auch eine Geschichte komplementärer Tendenzen von Be- und Entschleunigung war. So erfand beispielsweise zur selben Zeit, zu der die italienischen Futuristen um 1909 in glühenden Manifesten und flammenden Gemälden die Geschwindigkeit verherrlichten, Giorgio de Chirico die stille Welt der Pittura metafisica mit ihren magischen Ansichten von oft menschenleeren Plätzen.

Erstmals geht das Kunstmuseum Wolfsburg dieser Dialektik von Beschleunigung und Entschleunigung in einer umfassenden historischen Ausstellung mit rund 160 Werken von 85 Künstlern nach. Es geht dabei um eine Art »Neulesung« der Geschichte der modernen Kunst von der Romantik bis heute. In einer akzentuierten Auswahl von Werken werden die beiden Themenfelder jeweils kontrapunktisch gegenübergestellt und der Spannungsbogen zwischen High Speed und Slow Down so direkt erfahrbar gemacht.

Der Besucher begibt sich auf einen spannenden Parcours, auf dem er hochrangigen Gemälden der Romantik und der Klassischen Moderne ebenso begegnet wie spektakulären, sich bewegenden Installationen von Gegenwartskünstlern, wie beispielsweise dem real inszenierten »car crash« von Jonathan Schipper oder dem über zwei Stockwerke reichenden Wasserfall, bit.fall, von Julius Popp.

Die Medienkonferenz ist am 10. November 2011 um 11.15 Uhr. Medienvertreter können sich unter nschuetze@kunstmuseum-wolfsburg.de akkreditieren.

Eröffnungsmatinée am Sonntag, 13. November 2011, 11 – 13 Uhr, Eintritt frei

Die Ausstellung ist vom 12. November 2011 bis zum 9. April 2012 zu sehen.

Bildunterschrift:
Hussein Chalayan, Place to Passage, 2003, 5 Screen Film Installation, 12 min Loop, Kunstmuseum Wolfsburg, Copyright: Hussein Chalayan 2003, Musik: Jean Paul Dessy, Filmstills: Hussein Chalayan / neutral 2003. Aristide Maillol, La Méditerranée, 1905-1907, Bronze, 110 x 77,5 x 113 cm, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam; on loan from Stichting Museum Boijmans Van Beuningen Copyright: VG Bild-Kunst, Bonn 2011

Das Kunstmuseum Wolfsburg wurde im Jahr 1994 eröffnet und kann bereits heute auf eine einzigartige Geschichte mit einer Vielzahl maßgeblicher Ausstellungen und Veranstaltungen zurückblicken. Es ist in kurzer Zeit gelungen, das Haus regional zu verankern und gleichzeitig international Beachtung zu finden. Das Museum ist der Kunst aus Gegenwart und Moderne gewidmet und es vereint die verschiedensten Medien, angefangen von Malerei, über Skulpturen und Fotografie, Video und neue Medien bis zu Mode und Design. Das imposante, modernistische Gebäude im Zentrum der Stadt gelegen, präsentiert auf 3500 qm Ausstellungsfläche sowohl wechselnde Ausstellungen als auch Werke aus der Sammlung.

Kunstmuseum Wolfsburg
Rita Werneyer
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