Petra Wittmar: Medebach 2009-2011

Neue Ausstellung in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln: Eine in rund 70 Farbphotographien angelegte Bildreihe von Petra Wittmar über ihren Geburtsort Medebach im Hochsauerland.
Petra Wittmar: Medebach 2009-2011

Die Photographin Petra Wittmar hat mit dieser rund 70 Farbphotographien umfassenden Bildreihe ein facettenreiches, vielschichtiges Panorama ihres Geburtsortes im Hochsauerland geschaffen.

Medebach ist keineswegs untypisch für viele kleinstädtische Ortschaften und Siedlungen, verstreut zwischen den großen Einzugszentren Deutschlands. Ein verbreitetes Wetteifern mit großstädtischen Verhältnissen wird in den Bildern ebenso deutlich wie die natürliche und ungebrochene Anziehungskraft von Himmel und Erde, weiten Feldern, Wiesen und abwechslungsreicher Vegetation. Zwar kommt die Natur niemals ungebrochen vor – meist ist sie von Verkehrswegen zerschnitten, von Bausubstanz oder Zweckkonstruktionen überlagert – doch verbindet sich mit ihr vielfach der Ausdruck erstaunlicher Zeitlosigkeit und poetischer Dimension. Gerade dieses Miteinander unterschiedlicher Prozesse und Energien, die im schlicht daherkommenden Portrait eines ausgewählten Landschaftsstücks, sei es in der Bebauung oder in den natürlichen Gegebenheiten vor Augen geführt werden, macht es besonders spannend, die Bilder en détail zu betrachten. Die spezifischen Merkmale und Einflüsse am Schnittpunkt zwischen Stadt und Land treten einesteils sehr drastisch und kontrastierend hervor, andernteils sind sie oftmals so unmerklich, dass man ihre Ursache oder Eigenheit nur langsam zu ergründen vermag. So klar die Aufnahmen strukturiert sind, so viele und komplexe Fragen werfen sie auf, Fragen nach der Geschichte, Gegenwart und Zukunft angetroffener Situationen.

Die Arbeit bindet an das Projekt Medebach 1979-1983 an, erstmals 2007 in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur ausgestellt. Ein Großteil dieser Photographien befindet sich im Sammlungsbestand der Institution.
Ging es der Photographin bereits in den früheren Schwarzweißaufnahmen von Medebach darum, ein unsentimentales, nüchternes Bild der Ortschaft zu entwerfen, so verdeutlichen die aktuellen Bilder eine noch absichtsvollere Distanznahme, einen vielleicht höheren Grad von Purismus. Im Gegensatz zur vorherigen Serie werden Einblicke in die unmittelbare Privatsphäre der Bewohner vermieden, das gesamte Konvolut ist durch eine relativ gleichbleibend homogene Entfernung zum Gegenstand getragen. „Heimat“ oder das ehemalige Zuhause bilden anscheinend keine offensichtliche Bezugsgröße mehr. Allein dem Ort in seiner eigenwilligen Charakteristik und seinem selbstverständlichen Nebeneinander von aus verschiedenen Zeiten stammenden Gebäuden, kontrastierenden Stilen und Materialien, von Geplantem und Zufälligem und seiner weitläufigen landschaftlichen Umgebung gilt jetzt Petra Wittmars bildnerisches Interesse.

Auf die Nachfrage, was sie denn bewogen habe, sich nach drei Jahrzehnten erneut mit Medebach auseinanderzusetzen, antwortete Petra Wittmar: „Ich war neugierig zu erfahren, wie sich meine eigene Haltung gegenüber dem Gegenstand verändert hat und wie sich das in den Bildern niederschlägt. Eine weitere und letztlich ausschlaggebende Überlegung war die, dass das Thema „Provinz“ in der deutschen Photographie keine so große Rolle spielt, als dass ich hier ein bereits ausgewalztes Terrain betreten würde – kurz: Es erschien mir auch sachlich gerechtfertigt, mich noch einmal dem Ort zuzuwenden.“

Petra Wittmar hat von 1977 bis 1983 an der Universität Essen GHS/Folkwang studiert. Ihre freie photographische Arbeit konzentriert sich, abgesehen vom Projekt Medebach, auf die urban und industriell geprägte Landschaft und die dort vorgefundenen Momente und Konstellationen am Rande von Ballungszentren. Insbesondere im Ruhrgebiet beobachtet sie banal scheinende Stadtbebauungen, Industrie- und Brachflächen, die sich bei näherer Betrachtung als vieldeutige Motive erweisen. Diese Arbeiten realisiert sie parallel zu jenen Projekten, denen sie gemeinsam mit ihrem langjährigen Lebens- und Arbeitsgefährten Ulrich Deimel nachgeht. Einen Schwerpunkt ihrer gemeinsamen Vorhaben bildet die europäische Baukunst der zwanziger Jahre, mit der sie sich seit 1996 befassen.

Die Ausstellung in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur im Kölner Mediapark ist von 30. März bis 12. August, täglich außer mittwochs von 14 bis 19 Uhr zu sehen – zeitgleich mit der Schau: Wilhelm Schürmann: Wegweiser zum Glück. Bilder einer Straße, 1979-1981 (Eröffnung: Donnerstag, 29. März um 19 Uhr).

Petra Wittmar. Medebach 2009-2011 wird von einer zweisprachigen Publikation (Steidl Verlag Göttingen) begleitet, mit einem Gespräch zwischen Petra Wittmar und Gabriele Conrath-Scholl. Die Publikation erscheint mit Förderung der Kunststiftung NRW.

Am Samstag, 5. Mai, 15 Uhr, findet eine Künstlerführung mit Petra Wittmar statt.

Das 1992 erworbene August Sander Archiv bildet den Grundstein der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur. Es ist das weltweit größte Konvolut mit originalen Werken des Photographen (1876-1964). Mit Blick auf Sanders sachliche und konzeptorientierte Photographie erweiterte sich die Sammlung um weitere seinem Ansatz verwandte Arbeiten anderer historisch wichtiger und zeitgenössischer Künstler. Schwerpunkte bilden so auch die Photographien von Bernd und Hilla Becher, von Karl Blossfeldt, von Jim Dine und vielen mehr. Regelmäßige Ausstellungen orientieren sich programmatisch am Sammlungsbestand.

SK Stiftung Kultur der Sparkasse KölnBonn
Ralf Convents
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